Auch Bauvorhaben sind von den Auswirkungen der Maßnahmen betroffen, die zur Eindämmung der Corona-Pandemie ergriffenen wurden. Für viele Menschen stellt sich die Frage, wie und ob es mit bestehenden Bauvorhaben weitergeht, mit welchen rechtlichen Konsequenzen sie rechnen müssen und vor allem, wer die wirtschaftlichen Nachteile aus Verzögerungen und Baustopps zu tragen hat.
Gleich vorweg: Es besteht kein generelles Verbot für Bauarbeiten und müssen diese daher nicht per se gänzlich eingestellt werden, allerdings sind die allgemeinen Schutzmaßnahmen auch am Bau vorzukehren (Mindestabstand von einem Meter zwischen Personen oder Minimierung des Infektionsrisikos durch entsprechende Schutzmaßnahmen wie Schutzmasken und -anzüge, Brillen, etc). Es ist hierbei auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen.
Können die gesetzlichen Auflagen erfüllt werden, so bleibt die Leistungspflicht aus dem Bauvertrag mangels behördlicher Untersagung unverändert aufrecht. Werden vereinbarte Leistungen dennoch nicht erbracht, so kommen die allgemeinen Regeln für Leistungsstörungen zur Anwendung (Verzug, Gewährleistung, Schadenersatz).
Können hingegen die allgemeinen Schutzmaßnahmen aufgrund der konkreten Gegebenheiten auf einer Baustelle nicht eingehalten werden, so müssen die betroffenen Tätigkeiten gänzlich unterbleiben und führt dies zumindest zu Verzögerungen, schlimmstenfalls sogar zu einem gänzlichen Baustopp. Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen sind abhängig von der jeweiligen vertraglichen Vereinbarung unterschiedlich. Die in Frage kommenden Rechtsgrundlagen (ABGB und ÖNORM B 2110) regeln nämlich die Zuordnung der neutralen Sphäre unterschiedlich.
ABGB-Bauverträge
Regelmäßig unterliegen Bauverträge dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB). Dieses enthält eine Risikoverteilung für jene Fälle, in denen vertraglich vereinbarte Leistungen aufgrund von Umständen nicht erbracht werden können, die als „höhere Gewalt“ zu qualifizieren sind (§ 1168 Abs 1 ABGB).
Höhere Gewalt
Höhere Gewalt ist ein von außen auf den Betrieb einwirkendes außergewöhnliches Ereignis, das unvorhersehbar ist, selbst bei Anwendung äußerster Sorgfalt ohne Gefährdung des wirtschaftlichen Erfolgs des Unternehmers nicht abgewendet werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Auftragnehmer in Kauf genommen werden muss. Die derzeit überwiegende Ansicht bewertet die Corona-Pandemie als höhere Gewalt, allerdings ist noch keine Rechtsprechung hierzu ergangen, die diese Qualifikation bestätigen könnte.
Risiko trägt Auftragnehmer
Nach dem ABGB trägt das Risiko für Störungen der Leistungserbringung aufgrund von höherer Gewalt der Auftragnehmer. Er kann keine Anpassung des Vertrages und daher vom Auftraggeber keine Mehrkosten verlangen. Beim ABGB-Vertrag besteht keine Verpflichtung des Auftragnehmers, andere oder zusätzliche als vertraglich vereinbarte Leistungen zu erbringen.
Allerdings ist es grundsätzlich möglich, dass aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles eine anderen Risikoverteilung vorzunehmen ist, sodass stets eine Analyse der konkreten Sach- und Rechtslage erforderlich ist. So kann beispielsweise der Bauvertrag eine andere Pflichtenlage vorsehen, aus der ein abweichendes Ergebnis resultiert.
Schadenersatz
Davon unabhängig ist jedoch die Frage zu beurteilen, ob der Auftraggeber etwa für eine Überschreitung von vereinbarten Fertigstellungs- oder Übergabetermine Schadenersatz verlangen kann. Schadenersatz kann dann vom Auftragnehmer verlangt werden, wenn diesen ein Verschulden trifft. Kein Verschulden liegt vor, wenn die allgemeinen Corona-Schutzmaßnahmen auf der betroffenen Baustelle nicht umgesetzt werden können und der Auftragnehmer aufgrund des aktuellen Betretungsverbots seine Arbeitnehmer nicht auf der Baustelle einsetzen darf.