COVID-19 Bundesvergabegesetz

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Änderungen im Vergaberecht im Zusammenhang mit COVID-19

Die derzeit grassierende COVID-19-Pandemie hat auch Auswirkungen auf das Vergaberecht. Es kommt hier durch die Unterbrechung der Gerichtsverfahren insbesondere zu Auswirkungen auf die Rechtsschutzfristen und durch den Zeitdruck bei Beschaffungen im Zuge der Bekämpfung zu Ausnahmen für öffentliche Auftraggeber. Diese Änderungen werden im folgenden überblicksweise dargelegt:

 

Fristen

Mit dem Bundesgesetz über Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren wurde einerseits eine Hemmung für alle neu einzubringende Rechtsmittelanträge (ua. bei Verwaltungsgerichten) und andererseits eine Unterbrechung aller Fristen in Bezug auf bei Verwaltungsgerichten bereits anhängige Verfahren verfügt, jeweils vorläufig bis zum 30.4.2020.

 

Da auch in vergaberechtlichen (Rechtsmittel-) Verfahren vor den Verwaltungsgerichten das AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz) anzuwenden ist, galt diese Unterbrechung auch im vergaberechtlichen Rechtschutz (ausschließlich) für die Anfechtungsfrist (nicht jedoch die Stillhaltefrist).

 

Das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe modifizierte diese Unterbrechung sowohl im Bereich der Bundes- wie auch der Landesvollziehung:

 

Die Fristunterbrechung lief für alle Fristen in Nachprüfungsverfahren und Verfahren über die Gewährung von einstweiligen Verfügungen mit 6.4.2020 aus. Diese Verfahren laufen seit diesem Zeitpunkt wieder „normal“ weiter. Bei Feststellungsanträgen gilt aber weiterhin die Fristunterbrechung.

 

Die Hemmung für alle verfahrenseinleitenden Anträge bei allen Verfahren im Vergabebereich lief mit 5.4.2020 aus. Das bedeutet, dass nunmehr Rechtsmittelanträge im Vergabebereich wieder nach dem „Regelregime“ rechtzeitig nach Bekanntgabe der „gesondert anfechtbaren Entscheidung“ bei Gericht einlangen müssen. Werden die Entscheidungen nicht innerhalb der Anfechtungsfrist angefochten, präkludieren sie.

 

Da sich das Begleitgesetz Vergabe nur auf die Verwaltungsgerichte bezieht, gilt die Fristunterbrechung bzw Fristenhemmung für alle Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof weiter (bis vorläufig 30.4.2020).

 

Nichtanwendung des Vergaberechts?

Das BVergG 2018 ist auch in Krisenzeiten zwingend für öffentliche Auftraggeber anwendbar, sofern nicht ein Ausnahmetatbestand anwendbar ist. Diese Ausnahmetatbestände sind taxativ in § 9 BVergG aufgezählt und sehen keine allgemeine Ausnahme für (Natur-)Katastrophen oder sonstige Notstände vor. Die Nichtanwendung des BVergG ist aber für Vergabeverfahren erlaubt, sofern der Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen der Republik Österreich nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen gewährleistet werden kann.

 

Dieser Ausnahmetatbestand kommt aber nicht zum Tragen, auch nicht für medizinische Beschaffungen im Zuge der COVID-19-Bekämpfung. Dies, da medizinische Beschaffungen (Schutzmasken, Notausrüstung, Betreuungsdienstleistungen, Computer usw.) weder geheim sind, noch die innere Sicherheit der Republik Österreich (derzeit) in einem solchen Ausmaß gefährdet ist, dass der Bestand des Staates als solches gefährdet wäre. Auch hat der EuGH betont, dass die Nicht-Anwendung der Vergabevorschriften nur „ultima ratio“ sein kann; gibt es gelindere Mittel, so sind diese einzusetzen. Als „gelinderes Mittel“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH kommt jedoch die Durchführung von Sonderverfahren in Betracht.

Sonderverfahren

Aufträge können im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden, wenn, äußerst dringliche, zwingende Gründe, die nicht dem Verhalten des öffentlichen Auftraggebers zuzuschreiben sind, im Zusammenhang mit Ereignissen, die der öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die vorgeschriebenen Fristen einzuhalten.

 

Die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ist nur dann zulässig, wenn nur die angesichts der Notsituation unmittelbar erforderlichen Arten und Mengen von Waren beschafft werden sollen.

 

Wird dieses Verfahren in Anspruch genommen, können direkt von den in Aussicht genommenen Unternehmern Angebote eingeholt werden. Unter Festhaltung der zwingenden Gründe (zB Zeitnot) durch den Auftraggeber, können auch nur von einem Unternehmer Angebote eingeholt werden. Es sind weiterhin Ausschreibungsunterlagen zu erstellen, in denen Mindestanforderungen anzugeben sind und muss die Eignung der Bieter überprüft werden.

 

Bei besonderer Dringlichkeit kann auch auf die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung verzichtet werden.  Die Angebotsfrist kann auch einvernehmlich mit den aufgeforderten Bietern festgelegt werden, ohne Einvernehmen beträgt sie mindestens 10 Tage nach Absendung der schriftlichen Aufforderung.  Die Stillhaltefrist von 10 Tagen ist weiterhin einzuhalten.

 

Zu betonen ist jedoch, dass das oben beschriebene Ausnahmeverfahren lediglich zur Überbrückung dienen darf, bis langfristigere Lösungen gefunden sind, beispielsweise durch den Abschluss von Rahmenvereinbarungen, die gemäß regulären Verfahren (dazu zählen auch beschleunigte Verfahren) vergeben werden. Es wird daher dringend empfohlen, parallel zu den Notbeschaffungen umgehend reguläre Vergabeverfahren (insbesondere Rahmenvereinbarungen) über die in absehbarer Zeit benötigten Leistungen vorzubereiten und durchzuführen, um möglichst bald auf das reguläre Vergaberegime umsteigen zu können.

 

Einschränkung des Rechtsschutzes

Für „Notbeschaffungen“ im Rahmen der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie gilt nunmehr eine Einschränkung des Rechtsschutzes bei den oben beschriebenen Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung. In Verfahren die der dringenden Bekämpfung von COVID-19 oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Zusammenhang mit COVID-19 dienen, kommt dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Untersagung der Angebotsöffnung, des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung oder der Erteilung des Zuschlages keine aufschiebende Wirkung zu.

 

Der Auftraggeber darf in diesem Fall vor der Entscheidung über den Antrag den Zuschlag erteilen, die Rahmenvereinbarung abschließen bzw. die Angebote öffnen.

 

Konventionalstrafen

Hinzuweisen ist auch auf eine Regelung in den COVID-19-Begleitgesetzen, die auch Auswirkungen auf das Vergaberecht hat: in einem vor dem 1.April 2020 eingegangenen Vertragsverhältnis ist ein in Verzug geratener Schuldner nicht verpflichtet, eine vereinbarte Konventionalstrafe im Sinn des §1336 ABGB zu zahlen, wenn er in Verzug gerät, weil er als Folge der COVID-19-Pandemie entweder in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist oder die Leistung wegen der Beschränkungen des Erwerbslebens nicht erbringen kann. Dies gilt auch, wenn vereinbart wurde, dass die Konventionalstrafe unabhängig von einem Verschulden des Schuldners am Verzug zu entrichten ist.

 

(Mag. Lukas Pfefferkorn / Mag. Elias Zortea, Stand 21.4.2020)