COVID-19 Reiserücktritt

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Pauschal- und Individualreisen: Rücktrittsrechte in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie

Vielerorts stellt sich aufgrund der Corona-Pandemie die Frage, wer bei Stornierung einer geplanten Reise das wirtschaftliche Risiko trägt. Hinsichtlich der Möglichkeit einer kostenlosen Stornierung von gebuchten Reisen ist zwischen Pauschalreisen und Individualreisen zu unterscheiden:

 

Pauschalreisen

Für Pauschalreisen sieht § 10 Abs 2 Pauschalreisegesetz (PRG) unter gewissen Voraussetzungen ein Rücktrittsrecht mit Kostenersatzanspruch für bereits geleistete Zahlungen vor.

 

Eine Pauschalreise iSd § 2 Abs 2 PRG liegt – grob gesprochen – dann vor, wenn vertraglich eine Kombination aus mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise vereinbart wurde („verbundene Leistungen“). Voraussetzung ist, dass entweder (i) die Leistungen von einem Unternehmer auf Wunsch oder entsprechend einer Auswahl des Reisenden vor Abschluss eines einzigen Vertrags über sämtliche Leistungen zusammengestellt wurden oder (ii) zwar separate Verträge über die einzelnen Leistungen geschlossen wurden, diese aber in einer einzigen Vertriebsstätte erworben und vor der Zustimmung des Reisenden zur Zahlung ausgewählt wurden, zu einem Pauschal- oder Gesamtpreis angeboten wurden, unter der Bezeichnung „Pauschalreise“ oder einer ähnlichen Bezeichnung beworben wurden, dem Reisenden das Recht einräumt wurde, eine Auswahl unter verschiedenen Arten von Reiseleistungen zu treffen, oder die Reise über verbundene Online-Buchungsverfahren vom Reisenden gebucht wurde. In Betracht kommende Reiseleistungen sind etwa Personenbeförderung (zB Flug, Bus, Bahn), Unterbringung (insb Hotel), Autovermietung sowie diverse andere touristische Leistung (Ausflüge, Tickets für Veranstaltungen).

 

Ein kostenloser Rücktritt vom Pauschalreisevertrag ist vor Reiseantritt möglich, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Tritt der Reisende in diesen Fällen vom Pauschalreisevertrag zurück, so hat er Anspruch auf Erstattung aller für die Pauschalreise getätigten Zahlungen, muss selbst keine Entschädigung zahlen, hat jedoch keinen Anspruch auf eine zusätzliche Entschädigung.

 

Die kostenlose Stornierung einer Pauschalreise ist daher einerseits dann möglich, wenn im Zielland ein generelles Einreiseverbot verhängt oder die Einreise unter die Bedingung einer sofortigen Quarantäne gestellt wurde. Derzeit verweigern etwa Israel, Teile Italiens, die USA oder Indien Reisenden die Einreise oder gestatten diese nur unter der Auflage einer 14 tägigen Quarantäne.

 

Andererseits besteht ein Anspruch auf Vertragsrücktritt unter Kostenersatz, wenn eine ausdrückliche Reisewarnung der Stufe 6 des Außenministeriums vorliegt. Bei Reisewarnungen der Stufe 5 (partielle Reisewarnungen für einzelne Orte) kann das Rücktrittsrecht regelmäßig ebenfalls unproblematisch ausgeübt werden, bloße Sicherheitswarnungen der Stufe 4 bedürfen hingegen einer konkreten Abwägung der Umstände des Einzelfalles. Das Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten hält unter https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reisewarnungen/ eine aktuelle Liste jener Länder bereit, für die eine Reisewarnung besteht.

Auch wenn keine Reisewarnung ausgesprochen wurde, die Ausbreitung des SARS-Cov-2-Virus am Reiseziel jedoch ein Ausmaß annimmt, dass es unzumutbar macht in das Reisegebiet einzureisen, ist eine kostenlose Stornierung der Reise möglich. Ist allerdings das Reisegebiet nur leicht von der Pandemie betroffen, so ist der Reiseantritt grundsätzlich zumutbar und besteht kein Anspruch auf einen Rücktritt unter Kostenerstattung. Bei Zugehörigkeit des Reisenden zu einer Risikogruppe (wie etwa aufgrund von Alter oder einschlägiger Vorerkrankungen) kann im Einzelfall auch eine Reise in ein nur leicht betroffenes Gebiet bereits unzumutbar sein.

 

Stets ist Voraussetzung, dass die Reise zeitnah bevorsteht (idR etwa eine Woche). Aus diesem Grund können Reisen, die erst in einigen Wochen oder Monaten angetreten werden sollen, zum jetzigen Zeitpunkt nicht kostenlos storniert werden. Diesfalls darf der Vertragspartner nicht nur bereits geleistete Zahlungen einbehalten, sondern kann unter Umständen sogar dem zurücktretenden Vertragsteil anfallende Kosten verrechnen. Soll die Reise daher erst in einiger Zeit angetreten werden, muss vorerst abgewartet werden und ist kurz vor vereinbartem Urlaubsantritt erneut zu evaluieren, ob die Voraussetzungen für eine kostenlose Stornierung der Reise vorliegen. Zu beachten ist auch, dass nur solche Reisen kostenlos storniert werden können, die vor Bekanntwerden des Corona-Ausbruchs am Reiseziel gebucht wurden.

 

Geltend zu machen ist der Rücktritt beim jeweiligen Vertragspartner (Reiseveranstalter) unter Berufung auf die Ausbreitung der Corona-Pandemie am vereinbarten Urlaubsort, aufgrund derer der Antritt der Reise nicht möglich (etwa bei tatsächlich bestehenden Reisebeschränkungen) oder nicht zumutbar ist (so bspw Reisewarnungen des Außenministeriums). Wir empfehlen zu Beweiszwecken Rücktrittsschreiben postalisch per Einschreiben oder per Email zu versenden, verbunden mit der Aufforderung bereits bezahlte Beträge auf ein konkret anzuführendes Konto rück zu erstatten.

 

Individualreisen

Eine sogenannte Individualreise liegt dann vor, wenn Flug, Hotel, Mietauto, etc einzeln direkt beim jeweiligen Leistungserbringer gebucht wurden. Bei Individualreisen sind Stornierungen häufig nicht kostenfrei möglich:

 

Ein Ersatz geleisteter Zahlungen ohne weitere Stornokosten ist dann möglich, wenn der Vertragspartner selbst seine Leistung nicht erbringen kann. So können beispielsweise Kosten für Flüge zurückgefordert werden, wenn die Fluglinie den konkret gebuchten Flug gestrichen hat. Da sehr viele Fluglinien ihren Betrieb entweder gänzlich eingestellt oder stark eingeschränkt haben, schafft ein Anruf bei der jeweiligen Fluglinie oder deren Homepage meist schon Klarheit darüber, ob eine kostenlose Stornierung möglich ist. Wurde der konkrete Flug gestrichen, hat die Fluggesellschaft die geleisteten Zahlungen rück zu erstatten. Einem Angebot der Fluggesellschaft, den ursprünglichen Flug umzubuchen, müssen Sie grundsätzlich nicht zustimmen. Hotels können etwa dann kostenlos storniert werden, wenn das Hotel in einem gesperrten Gebiet liegt und daher faktisch nicht erreichbar ist. Gleiches gilt für Veranstaltungen und Ausflüge. Jene Länder, für die eine offizielle Reisewarnung vorliegt, gelten in diesem Sinne als gesperrt.

 

Wenn Gefährdungen oder Beeinträchtigungen, die bei Vertragsabschluss noch nicht vorhersehbar waren, in der Folge den Antritt der Reise unzumutbar machen, steht dem Reisenden in der Regel ein kostenloses Rücktrittsrecht von Individualreiseverträgen ein. Die Reise muss aufgrund von nach dem Vertragsabschluss eingetretenen Entwicklungen, insbesondere vor dem Hintergrund von Berichten in den Medien, für einen durchschnittlich vorsichtigen Reisenden unzumutbar gefährlich erscheinen. Auch hier gilt, dass die Reise unmittelbar bevorstehen muss. Ansonsten ist die weitere Entwicklung abzuwarten. Anders als bei Pauschalreisen besteht kein Rechtsanspruch auf kostenlose Stornierung, wenn der Antritt der Reise „lediglich“ unzumutbar, jedoch grundsätzlich möglich ist. In diesem Fall muss versucht werden, mit dem jeweiligen Vertragspartner eine außergerichtliche Lösung zu finden (etwa eine Umbuchung).

 

Gerne übernehmen wir derartige Vergleichsverhandlungen für Sie und unterstützen Sie bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche.

 

(Dr. Christina Lindner, LL.M., Stand 30.3.2020)