ImmoESt bei gemischten Schenkungen erst ab 75% Gegenleistung

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Der Verwaltungsgerichtshof hat in der aktuellen Entscheidung zu Ro 2020/15/0015 klargestellt, dass gemischten Schenkungen von Immobilien grundsätzlich erst dann der Immobilienertragsteuer (ImmoESt) unterliegen, wenn die Gegenleistung zumindest 75% des Verkehrswerts beträgt.

Nach der bisher von den Finanzbehörden vertretene und in der Einkommensteuer-Richtlinie festgehaltenen Ansicht unterlag eine gemischte Schenkung bereits der ImmoESt, wenn die Gegenleistung 50% des Verkehrswerts überschritt.

In der Entscheidung hatte der VwGH den folgenden Sachverhalt zu beurteilen: Die Eltern waren jeweils Hälfteeigentümer eines Wohnhauses mit einem Verkehrswert von € 844.178. Dieses Wohnhaus „schenkten“ die Eltern an eine Tochter, welche sich im Gegenzug dazu verpflichtete, an ihre drei Geschwister Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils einem Viertel des Werts (€ 211.044,70) zu leisten.

Die Eltern fragten beim zuständigen Finanzamt nach, ob durch diese Schenkung eine ImmoESt-Pflicht entsteht. Die Behörde bejahte dies mit der Begründung, dass die Gegenleistung mehr als die Hälfte des Verkehrswertes der Liegenschaft beträgt und setzte mit Bescheid die ImmoESt für die Eltern fest.

Gegen diesen Bescheid legte (nur) der Vater Beschwerde ein und erhob in weiterer Folge Revision gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts (BFG).

Der VwGH sprach nun aus, dass die Finanzbehörden und das BFG die Rechtslage verkennen, weil sie zur Festlegung der 50% Grenze auf den § 20 Abs. 1 Z 4 EStG abstellen. Diese Bestimmung normiert nach Ansicht des VwGH nicht die Abgrenzung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtsgeschäften, sondern legt lediglich ein Abzugsverbot fest.

Die zur Anknüpfung an den Tatbestand des § 30 EStG 1988 erforderliche Abgrenzung von entgeltlichen zu unentgeltlichen Geschäften ist, wie der VwGH erkennt, ausschließlich nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen vorzunehmen. Demzufolge ist ein Rechtsgeschäft für die Frage der ertragssteuerlichen Behandlung als entgeltlich anzusehen, wenn der Wert der Gegenleistung um nicht mehr als 25% vom Wert des übertragenen Wirtschaftsgutes abweicht. Somit ist bei einer Gegenleistung von weniger als 75% grundsätzlich nicht von einem der ImmoESt unterliegenden entgeltlichen Geschäft auszugehen.

Im vorliegenden Fall bestand allerdings tatsächlich eine ImmoESt-Pflicht, weil die Gegenleistung 75% des Verkehrswerts der Liegenschaft betrug.

Zur Entscheidung: VwGH 16.11.2021 Ro 2020/15/0015

 

Mag. Stefan Fussenegger, Stand 11.7.2022