OGH vom 19.5.2022, 3 Ob 36/22y
Für die Beurteilung der (Un-)Brauchbarkeit eines Bestandobjekts während des behördlichen Betretungsverbots kommt es nicht nur auf den schriftlichen Mietvertrag, sondern auch auf die mündlichen Vereinbarungen der Parteien an. Stand der Kaffeehausbetrieb von Anfang an ganz klar im Vordergrund, während den Parteien bewusst war, dass ein bloßer Verkauf von Bäckereiwaren am konkreten Standort wirtschaftlich nicht möglich wäre, war das Mietobjekt während der Lockdowns gänzlich unbrauchbar.
Die Beklagte mietete von der Klägerin ein in deren Fachmarktzentrum gelegenes Geschäftslokal für den Betrieb als „Bäckerei-Cafe“, wobei nach dem übereinstimmenden Willen beider Vertragsparteien der Kaffeehausbetrieb ganz klar im Vordergrund stand, weil eine reine Bäckerei bzw eine überwiegend auf Bäckereiverkauf ausgerichtete Filiale aufgrund des Standorts im reinen Gewerbegebiet wirtschaftlich nicht überlebensfähig gewesen wäre. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 und während des zweiten Lockdowns von November 2020 bis Mitte Mai 2021 schloss die Beklagte ihr Geschäft zur Gänze, bot also auch keine Bäckereiwaren zum Verkauf an. Für diese Zeiträume zahlte sie keine Mietzinse.