Missbrauch von COVID-19-Förderungen

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Im Zuge der Pandemiebekämpfung hat der Gesetzgeber mittels verschiedener Maßnahmen versucht, der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Die Voraussetzungen der verschiedenen Förderungen – beispielsweise Kurzarbeitsförderung, Fixkostenzuschuss, Härtefall-Fonds – wurden laufend geändert, was zu Verunsicherung in den Unternehmen geführt hat. Viele Unternehmen stellen sich derzeit die Frage, ob sie durch einen allenfalls unrechtmäßigen Bezug von finanzieller Unterstützung einem Betrugsverdacht ausgesetzt sind oder dies durch Auszahlungen von Prämien werden könnten. Angesichts drohender Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren und dem Bekanntwerden immer mehr Fälle von unberechtigter Inanspruchnahme von Corona-Beihilfen, sind diese Sorgen wohl berechtigt.

Wenige Unternehmer werden die Förderungen wohl tatsächlich bewusst zu Unrecht beantragt und bezogen haben. Gerade zu Beginn der Pandemie lag durch die neue Situation vieles im Ungewissen und waren die Vorgaben und Voraussetzungen der Förderungen oftmals unklar. Finanziell prekäre und teilweise existenzbedrohende Verhältnisse zwangen viele Unternehmer schnell zu handeln und die Förderungen trotz bestehender Unsicherheiten zu beantragen. Der enorme und komplexe bürokratische Aufwand und die Unübersichtlichkeit der verschiedenen Beihilfen haben es Unternehmen nicht gerade einfacher gemacht, gesetzeskonforme Anträge zu stellen und korrekte Abrechnungen zu liefern. Auch bei den zuständigen Behörden war ursprünglich nur spärlich belastbares Wissen zu den konkreten Voraussetzungen der neuen Fördermaßnahmen vorhanden.

Schnelles Handeln gefordert

Stellt man jetzt im Nachhinein fest, dass Förderungen allenfalls zu Unrecht bezogen wurden, so ist schnelles Handeln erforderlich. Gemäß COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz ist nämlich beispielsweise die COFAG verpflichtet, bei hinreichend begründetem Verdacht auf Fördermissbrauch bei der Staatsanwaltschaft Anzeige zu erstatten. Auch Lohnabgabenprüfungen hinsichtlich Kurzarbeits-Förderungen können zu Anzeigen führen. Wer unsicher ist, ob er unzulässig Förderungen bezogen hat, oder bspw im laufenden Geschäftsjahr Prämien auszahlen darf, ohne die Anspruchsberechtigung zu verlieren, sollte vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bereits aktiv werden. In diesem Stadium besteht noch eine Chance, einer Strafe zu entgehen.

Strafbarkeit betrügerischer Beantragung oder missbräuchlicher Verwendung von Förderungen

Wer mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung verleitet, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, begeht einen Betrug iSd § 146 StGB. Wird ein Betrug unter Benützung einer falschen oder verfälschten Urkunde, falscher oder verfälschter Daten oder eines anderen solchen Beweismittels mittels begangen (beispielsweise Lohnabrechnungen), so liegt gar schwerer Betrug iSd § 147 StGB vor. Einen schweren Betrug hat auch zu verantworten, wer durch die Tat einen € 5.000,– übersteigenden Schaden herbeiführt – ein Betrag, der bei COVID-19-Förderungen schnell erreicht ist. Auch der Versuch oder das Unterlassen der Richtigstellung von als falsch erkannter Angaben kann bereits strafbar sein.

Werden die Förderungen nach Auszahlung zweckwidrig verwendet, so kann ein Förderungsmissbrauch vorliegen: Wer nämlich eine ihm gewährte Förderung missbräuchlich zu anderen Zwecken als zu jenen verwendet, zu denen sie gewährt wurde, ist gemäß § 153b StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

Dabei ist zu beachten, dass nicht nur der bewusst unzulässige Bezug von Förderungen strafbar ist, sondern bereits bedingter Vorsatz für eine Strafbarkeit ausreicht. Dies ist bereits dann der Fall, wenn die handelnden Personen es ernsthaft für möglich halten, einen Sachverhalt zu verwirklichen, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht, und sich dennoch damit abfinden – und die Fördermittel beantragen. Bei wiederholter Tatbegehung – etwa bei den Fixkostenzuschüssen – kann sogar gewerbsmäßiger Betrug vorliegen.

Auch können nicht nur unmittelbare Täter, sondern Beitrags- und Mittäter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wie beispielsweise Mitarbeiter der Personalverrechnung. Im Rahmen des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes hat strafbares Verhalten nicht nur für die handelnden Personen selbst strafrechtliche Konsequenzen, sondern unter Umständen auch für die juristische Person. Es drohen daher zusätzlich Geldstrafen für das Unternehmen selbst, die ein beträchtliches Ausmaß erreichen können. Schließlich werden auch die korrespondierenden Schadenersatzansprüche regelmäßig bereits im Strafverfahren geltend gemacht. Werden diese durchgesetzt, kann auf Basis des Urteils unmittelbar Exekution geführt werden.

Vorsorgemaßnahmen

Wer nunmehr befürchtet, strafbares Verhalten gesetzt zu haben, sollte aktiv in die Verteidigung gehen. Unter gewissen Voraussetzungen kann bei bestimmten Förderungen eine Korrekturmeldung erfolgen oder eine Amnestie für zu hoch erhaltene Förderungen erwirkt werden. Ebenso kann oftmals die Verschiebung der Auszahlungen von Provisionen schon Abhilfe schaffen.

Auch in Hinblick auf potenzielle Hausdurchsuchungen sollten entsprechende Vorkehrungen getroffen und schriftliche und digitale Aufzeichnungen, Mobiltelefone und andere Endgeräte geprüft werden. Dabei ist zu beachten, dass die Sicherheitsbehörden nicht nur Geschäftsräumlichkeiten selbst, sondern oftmals auch private Räume oder (Firmen-)Fahrzeuge durchsuchen dürfen. Steht tatsächlich eine Hausdurchsuchung an, so ist unbedingt darauf zu achten, dass der vom gerichtlichen Beschluss festgelegte Durchsuchungsbereich nicht überschritten wird.

Eine Strafaufhebung kann auch durch das Institut der tätigen Reue erreicht werden: Durch die Rückzahlung der erhaltenen Förderungen wird der Schaden wiedergutgemacht. Die tätige Reue beseitigt die Strafbarkeit allerdings nur, wenn sie rechtzeitig und freiwillig erfolgt und den Schaden zur Gänze beseitigt. Dafür muss die Schadenswiedergutmachung geleistet werden, bevor die Strafverfolgungsbehörden von der Tat erfahren haben. Um die Vollständigkeit sicherzustellen, empfiehlt sich die Zahlung eines Mehrbetrages als Sicherheitszuschlag. Essenziell sind in allen Fällen belastbare und gut dokumentierte Rechtfertigungen. Korrekte und belegbare Arbeitszeitaufzeichnungen sind unabdingbar.

Unternehmen, die unter Abgabe falscher Angaben Förderungen beantragt oder solche falsch abgerechnet oder im Nachhinein unzulässige Prämien an Geschäftsleiter ausbezahlt haben, sodass sie nicht mehr antragsberechtigt sind, sind daher gut beraten, aktiv zu werden ‑ bevor Staatsanwaltschaft, Polizei und Finanzstrafbehörden einschreiten.

Dr. Christina Lindner (Stand 30.6.2022)