Während die globale wirtschaftliche Entwicklung und die Klimakrise bereits seit Jahrzehnten aus der politischen Diskussion nicht mehr wegzudenken sind (Stichwort: Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen und Green Deal der Europäischen Union), haben diese Themen außerhalb des klassischen Umweltschutzes im Recht lange Zeit kaum Beachtung gefunden. Steht im Abfallwirtschafts-, Wasser-, Luftreinhaltungs-, Anlagen- und Energierecht primär der Schutz der Natur im Vordergrund, so geht das Nachhaltigkeitsrecht über den Naturschutz hinaus und wird als Recht der nachhaltigen Entwicklung in allen gesellschaftlichen Bereichen verstanden. Neben umweltpolitischen Belangen, Klimaschutz und Diversität sind nunmehr auch wirtschafts-, arbeits- und sozialpolitische Aspekte in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt (bspw Arbeitnehmerschutz nach den EU-Antidumping- und Antisubventions-GVOen).
Da Nachhaltigkeit in allen Bereichen menschlichen Handelns ansetzt, sind nachhaltigkeitsrechtliche Aspekte in nahezu allen Rechtsbereichen zu finden: Über das öffentliche Auftragswesen versucht der Staat Nachhaltigkeits- und Klimastrategien wirksam in die Realität umzusetzen, was von nachhaltig agierenden Unternehmen wirtschaftlich genutzt werden kann, da etwa Anbieter umweltgerechter Leistungen in Vergabeverfahren bevorzugt werden können. Am Immobilienmarkt gerät Green Building immer stärker in das Blickfeld von Investoren und Projektenwicklern, die Wert auf energieeffiziente Bauweise und nachhaltige Bewirtschaftung von Gebäuden fordern. Bei Unternehmenstransaktionen werden vermehrt ESG-Gewährleistungszusagen (Environmental Social Governance) als Vertragsbedingung verlangt. Ebenfalls im Sinne einer Sustainable Corporate Governance setzt die EU-Taxonomie-Verordnung Anreize für private Investitionen in nachhaltige Projekte (Verordnung [EU] 2020/852). Selbst in der Justiz hat inzwischen Nachhaltigkeit durch Mittel wie elektronische Aktführung und Verhandlungen über Videokonferenzen Auswirkungen.
Immer mehr Unternehmen unterziehen sich – zu Recht – freiwillig der EU-Ecolabel-Zertifizierung nach der EMAS-III-Verordnung oder nach ISO 14001:2015, um die absatzfördernde Wirkung nachhaltiger Unternehmensführung am Markt und die Vorteile in Vergabeverfahren risikolos nutzen zu können. Die lauterkeitsrechtlichen Konsequenzen bei Green Washing oder irreführenden Angaben zu Social Responsibility und Green Influencing sind nämlich nicht zu unterschätzen (Schadenersatz, Unterlassung, Veröffentlichung, strafrechtliche Sanktionen). Gleiches gilt für sogenannte „Sollbruchstellen“, die einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft widersprechen und neben lauterkeits- und strafrechtlichen Konsequenzen auch Gewährleistungsansprüche nach sich ziehen können.