OGH Rechtsprechung zum Mietzinsentfall in der Covid-19-Pandemie

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Ende letzten Jahres bestätigte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung zu 3 Ob 78/21y den Entfall des Mietzinses im Zusammenhang mit behördlichen Betretungsverboten aufgrund der Covid-19-Pandemie. Der OGH hat nun in einer weiteren Entscheidung (3 Ob 209/21p) festgehalten, dass ein dramatischer Umsatzrückgang allein, keine Mietzinsreduktion rechtfertigt.

In dieser Entscheidung wurde der Fall eines Reisebüros behandelt. Während des behördlichen Lockdowns (März/April 2020) war das Geschäftslokal ohne Publikumsverkehr zwar nur eingeschränkt benutzbar, es wurde aber teilweise für Bürotätigkeiten der Mitarbeiter (insbesondere zahlreiche Umbuchungen) weiterhin verwendet. Wenige Tage nach Beginn des Lockdowns wurden die Mitarbeiter gänzlich auf Homeoffice umgestellt. Den restlichen März und April kamen die Mitarbeiter nur noch vereinzelt und kurz in das Geschäftslokal, um Unterlagen abzuholen. Im Mai 2020 wurde das Reisebüro aufgrund der mangelnden Nachfrage und des damit einhergehenden Umsatzrückgangs (auf 10% des Vorjahresumsatzes) geschlossen gehalten und war in den folgenden Monaten nur wenige Stunden pro Woche geöffnet.

Der OGH hielt in diesem Zusammenhang fest, dass die Beurteilung der (teilweisen) Benutzbarkeit eines Mietobjekts nach dem Vertragszweck zu beurteilen sei. Der vereinbarte Zweck sei die Verwendung des Geschäftslokals als Reisebüro. Dementsprechend sei das Geschäftslokal im Lockdown durch das Betretungsverbot für Kunden zwar nur eingeschränkt zum vereinbarten Zweck benutzbar gewesen, sämtliche Bürotätigkeiten, die zum Betrieb des Reisebüros gehören, seien aber weiterhin uneingeschränkt durchführbar gewesen. Die vom Erstgericht zugestandene Mietzinsreduktion im Umfang von 30% sei daher nicht zu beanstanden.

Nach Ansicht des OGH sei die Tatsache des dramatischen Umsatzrückgangs (auf 10%), kein ausreichender Grund dafür eine Beeinträchtigung der vertraglichen Nutzung des Mietobjekts anzunehmen. Da eine Umsatzeinbuße als Folge der Pandemie sämtliche Unternehmer, insbesondere die Branche des Mieters, allgemein und insgesamt treffe, sei diese dem Unternehmerrisiko des Mieters zuzuordnen und für den zu zahlenden Mietzins nicht relevant. Diese pandemiebedingten Auswirkungen stellten keine Gebrauchsbeeinträchtigung des zur Verfügung gestellten Mietobjekts dar.

Festgehalten wurde vom Höchstgericht, dass Umsatzeinbußen nur dann ein Indiz für eine (teilweise) Unbrauchbarkeit des Mietobjekts sein können, die eine Mietzinsreduktion rechtfertigen, wenn sie unmittelbare Folge von behördlichen Maßnahmen sind. Es sei ohne Belang, wenn der Umsatzrückgang darauf beruhe, dass sich Menschen aufgrund von gesundheitlichen Risiken während der Pandemie nicht dazu entschließen, zu verreisen.

Diese Entscheidung des OGH ist mE, insbesondere im Hinblick auf die konkrete Branche des Mieters in diesem Fall kritisch zu hinterfragen. Der OGH anerkennt zwar behördliche Betretungsverbote, die als pandemiebedingte behördliche Maßnahmen eine Mietzinsreduktion rechtfertigen, lässt jedoch andere behördliche Maßnahmen völlig außer Acht. In der in diesem Anlassfall behandelten Branche – Reisebüro – hatten eine Vielzahl von behördlichen Maßnahmen unmittelbare und dramatische Auswirkungen auf den Umsatz. Zu nennen sind beispielhaft Grenzschließungen, Ein- und Ausreiseverordnungen, Hotelschließungen etc. Die Erfahrungen in den Sommermonaten des Jahres 2020 haben eindrücklich aufgezeigt, dass nicht gesundheitliche Risiken und die „Angst vor der Pandemie“, sondern vielmehr die behördlichen Reisebeschränkungen ausschlaggebend für die verminderte Reisetätigkeit der Bevölkerung waren. Wie zu beobachten war, richtete sich die Reiselust der Gesamtbevölkerung über den gesamten bisherigen Verlauf der Pandemie in erster Linie nach den gesetzlichen und behördlichen Möglichkeiten und dem (Nicht-)Vorhandensein von Beschränkungen und nicht etwa nach dem jeweils herrschenden Infektionsrisiko oder dem jeweiligen Pandemiegeschehen. Insofern ist diese Entscheidung mE zumindest hinsichtlich des Kriteriums der Auswirkungen der behördlichen Maßnahmen inkonsequent.

Zur Entscheidung: OGH 24.3.2022, 3 Ob 209/21 p

Mag. Stefan Fussenegger, Stand 11.7.2022