OGH bejaht Rückforderungsmöglichkeit

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Irrtümlich erfolgte Überweisung an die Arbeitnehmerin – OGH bejaht Rückforderungsmöglichkeit

OGH vom 15.12.2021, 9 ObA 103/21 v

Leisten Arbeitgeber irrtümlich Zahlungen an Arbeitnehmer, steht einer erfolgreichen Rückforderung dieser Zahlungen oftmals der Einwand des gutgläubigen Verbrauchs entgegen. Der OGH hat nun in einer neuen Entscheidung (OGH 15.12.2021, 9 ObA 103/21v) den Einwand des gutgläubigen Verbrauchs abgelehnt. Arbeitgebern dient diese höchstgerichtliche Entscheidung als weitere wichtige Auslegungshilfe:

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Eine Arbeitnehmerin bezog ein monatliches Nettogehalt in Höhe von rund € 1.450,00 (2015) bzw € 1.530,00 (2016). Im Zeitraum 19.3.2015 bis 29.4.2016 wurde der Arbeitnehmerin irrtümlich zusätzlich zu diesem Nettogehalt ein Betrag in Höhe von gesamt € 11.425,00 überwiesen.

Dieser Betrag wurde mittels sechs Teilzahlungen getätigt, wobei eine Überweisung mit der Bankomatkarte des Arbeitgebers, zwei Überweisungen mit der Bankomatkarte der Arbeitnehmerin und weitere drei Zahlungen mit Bankomatkarten von unbekannten Dritten getätigt wurden. Den Gutschriften auf das Konto der Arbeitnehmerin lag jeweils ein – vom Arbeitgeber blanko unterschriebener – Überweisungsauftrag zugrunde. Die vom Arbeitgeber nach Kenntnis der irrtümlichen Zahlungen vorbereitete Rückzahlungsvereinbarung wurde von der Arbeitnehmerin abgelehnt. Am 10.2.2017 erklärte die Arbeitnehmerin ihren Austritt. Anlässlich der Endabrechnung wurde das Gehalt der Arbeitnehmerin mit der Forderung des Arbeitgebers aufgerechnet und der noch aushaftende Differenzbetrag vom Arbeitgeber eingeklagt.

Das Erstgericht gab der Klage des Arbeitgebers statt, das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren nicht Folge.

Der OGH hat zu diesem Sachverhalt wie folgt klargestellt:

Eine Rückforderung von irrtümlich bezogenen Leistungen durch den Arbeitgeber ist lediglich bei redlichem Verbrauch ausgeschlossen. Der gute Glaube wird nicht nur durch auffallende Sorglosigkeit des Empfängers ausgeschlossen, sondern schon dann verneint, wenn die Arbeitnehmerin zwar nicht nach ihrem subjektiven Wissen, aber bei objektiver Beurteilung der Rechtmäßigkeit des ihr ausbezahlten Betrags auch nur zweifeln musste.

Ausgehend von den Feststellungen, dass

  1. Zahlungen des Arbeitgebers von insgesamt € 11.425,00 gutgeschrieben wurden,
  2. es sich dabei im Verhältnis zu ihrem regelmäßig vom Arbeitgeber bezogenen Gehalt um keine geringfügige „Überzahlung“ handelte und
  3. daneben die Gehaltszahlungen des Arbeitgebers in gleichbleibender Höhe flossen,

hätte die Arbeitnehmerin nach Ansicht des OGH bei einer objektiven Beurteilung an der Rechtmäßigkeit der ausbezahlten Beträge zumindest zweifeln müssen. Dem Einwand der Gutgläubigkeit der Arbeitnehmerin sei daher nicht zu folgen.

Zur Entscheidung

Mag. Simone Rädler, Stand 07.6.2022