Umkleidezeit als Arbeitszeit

NEUSTE ENTSCHEIDUNGEN

Bei auffälliger Arbeitskleidung ist Umkleidezeit Arbeitszeit

OGH VOM 25.5.2020, 9 OBA 13/20 G

Mit Erkenntnis vom 25.5.2020 hat der Oberste Gerichtshof festgestellt, dass die erforderliche Zeit für das An- und Ablegen von Arbeitskleidung als entgeltpflichtige Arbeitszeit gilt, wenn das Umkleiden aufgrund des Ausmaßes der Fremdbestimmung als arbeitsleistungsspezifische Tätigkeit zu werten ist. Dies ist auch der Fall, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer erlaubt, die von ihm vorgeschriebene Dienstkleidung zu Hause anzuziehen, es dem Arbeitnehmer aber objektiv unzumutbar ist, die Dienstkleidung auf dem Arbeitsweg zu tragen.

 

Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

 

Die beklagte Arbeitgeberin betreibt eine Therme samt Gastronomie mit einem dazugehörigen Hotel. Die Mitarbeiter im Küchen- und Servicebereich der Therme sind arbeitsvertraglich verpflichtet, ein kurzes T-Shirt mit dem Aufdruck eines Hais und dem Schriftzug (unter Anderem) „Piratenwelt“ zu tragen, sowie eine schwarze Dreiviertelhose, eine Schürze und eine Kopfbedeckung mit Piratenaufdruck. Diese Dienstkleidung wird von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellt. Den Arbeitnehmern steht zur Umkleide am Arbeitsplatz ein Spind zur Verfügung, die Arbeitgeberin gestattet den Arbeitnehmern aber auch, sich zu Hause umzukleiden und in der Dienstkleidung in den Betrieb zu kommen.

 

Fremdbestimmung der Umkleidezeit:

 

Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 Arbeitszeitgesetz gilt als Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen.

 

In ständiger Rechtsprechung (zB 9 ObA 29/18g) legt der OGH diese Bestimmung dahingehend aus, dass jede Zeitspanne als Arbeitszeit iSd § 2 Abs 1 Z 1 AZG gilt, in der der Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten und sich zu dessen Verfügung zu halten um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können. Entscheidendes Kriterium ist dabei, dass ein solches Mindestmaß an Intensität der Fremdbestimmung gegeben ist, dass eine arbeitsleistungsspezifische Tätigkeit zu bejahen ist. Der Arbeitnehmer erbringt dabei zwar noch nicht seine „Kernarbeitsleistung“, steht dem Arbeitgeber aber zur Verfügung.

Umkleidezeit kann nach der Rechtsprechung des OGH (zB 9 ObA 29/18g) schon bisher als Arbeitszeit gewertet werden, wenn die Arbeitnehmer verpflichtend eine Dienstkleidung tragen müssen und aufgrund einer Anordnung des Arbeitgebers auch verpflichtet sind, die Dienstkleidung ausschließlich am Arbeitsplatz zu wechseln. Dadurch erfolgt das Umkleiden nicht mehr eigenbestimmt durch die Arbeitnehmer, sondern in einem Ausmaß fremdbestimmt, das eine arbeitsleistungsspezifische Tätigkeit vorliegen lässt.

 

 

Unzumutbarkeit des Arbeitsweges in der Dienstkleidung:

 

Mit vorliegendem Erkenntnis weitete der OGH diese Rechtsprechung aus. Das für die Qualifikation als Arbeitszeit erforderliche Mindestmaß an Intensität der Fremdbestimmung wird laut dem Erkenntnis nämlich auch dann erreicht, wenn der Arbeitgeber zwar das Umkleiden der Dienstkleidung zu Hause erlaubt, es dem Arbeitnehmer aber objektiv gesehen nicht zumutbar ist, die vorgeschriebene Dienstkleidung bereits zuhause anzulegen und den Arbeitsweg in der Dienstkleidung zu absolvieren. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Dienstkleidung nach außen durch Embleme, Logos oder sonstige Farben erkennbar einen spezifischen Firmenbezug herstellt oder sonst besonders auffällig oder ungewöhnlich ist. Je auffälliger eine Dienstkleidung ist, desto intensiver ist das Ausmaß der Fremdbestimmung des Arbeitnehmers.

 

Dabei ist es irrelevant, ob es sich bei der Dienstkleidung um eine branchenübliche Kleidung handelt, weil es sich bei dieser Art der Dienstkleidung jedenfalls um eine besonders auffällige Kleidung handelt, die eine objektive Unzumutbarkeit begründet, den Arbeitsweg in ihr zu absolvieren.

 

Da die Umkleidezeit in diesen Fällen als Arbeitszeit zu qualifizieren ist, sind auch die innerbetrieblichen Wegzeiten zwischen dem jeweiligen Umkleideort im Betrieb und dem konkreten Arbeitsplatz als Arbeitszeit anzusehen.