OGH-Entscheidung - zur Zinsminderung wegen Umsatzrückgangs aufgrund der COVID-19-Pandemie

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OGH-Entscheidung Zur Zinsminderung wegen Umsatzrückgangs aufgrund der COVID-19-Pandemie

OGH vom 24. 3. 2022, 3 Ob 209/21p (= Zak 2022/316; Kolmasch)

Ob ein gemietetes Geschäftslokal während des Zeitraums, in dem aufgrund der COVID-19-Pandemie ein Betretungsverbot für den Kundenbereich galt, iSd § 1104 f ABGB unbrauchbar oder teilweise brauchbar war, ist nach dem Vertragszweck zu beurteilen. Bei einem zum Betrieb eines Reisebüros vermieteten Geschäftslokal ist von teilweiser Brauchbarkeit auszugehen, weil die Bürotätigkeit weiter dort ausgeführt werden konnte. Daher rechtfertigt der Lockdown nur eine Zinsminderung (hier: 30 %). Ein pandemiebedingter Umsatzrückgang kann nur dann als Indiz für die eingeschränkte Brauchbarkeit des gemieteten Geschäftslokals dienen, wenn er unmittelbar auf die Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des Mietobjekts durch behördliche Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zurückzuführen ist. Umsatzeinbußen, die sich aus der allgemeinen Reaktion der Kunden auf die Pandemie ergeben und alle Unternehmer oder die gesamte Branche treffen, rechtfertigen keine Zinsminderung nach § 1105 ABGB, sondern fallen in das Unternehmerrisiko des Mieters.

Das Reisebüro, das die Mieterin in dem Mietobjekt betreibt, musste im ersten Lockdown (Mitte März bis Ende April 2020) für Kunden geschlossen werden. Die Mitarbeiter, die noch einige Tage im Mietobjekt und danach vor allem im Home-Office tätig waren, waren intensiv damit beschäftigt, Umbuchungen und Stornierungen abzuwickeln sowie Reisende bei der Rückreise zu unterstützen. Neue Buchungen gingen wegen der allgemein gesunkenen Reisebereitschaft auch online bzw telefonisch nicht mehr ein. Es kam zu einem Umsatzrückgang von mehr als 90 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im vorliegenden Mietzinszahlungsverfahren war strittig, ob der Lockdown gem § 1104 ABGB zum vollständigen Entfall der Zahlungspflicht für den betroffenen Zeitraum geführt hat oder nur eine Zinsminderung rechtfertigt.

Das Erstgericht hielt lediglich eine Zinsminderung von 30 % für berechtigt, weil die Mieterin das Mietobjekt weiterhin für Bürotätigkeiten nutzen konnte. Demgegenüber ging das Berufungsgericht in Hinblick auf die Umsatzentwicklung vom gänzlichen Zinsentfall aus. Der OGH stellte die Entscheidung des Erstgerichts wieder her. Umsatzeinbußen könnten nur insofern als Argument für die Zinsminderung bzw den Zinsentfall dienen, als sie direkt auf die behördlichen Betretungsverbote für Kundenbereiche zurückzuführen sind. Rückgänge, die darauf beruhen, dass Kunden aufgrund der Pandemie nicht mehr reisen wollen, seien hingegen dem Unternehmerrisiko des Mieters zuzuordnen. Gegen die konkrete Bemessung der Zinsminderung durch das Erstgericht habe die Mieterin keine Argumente vorgebracht.

Zur Entscheidung

MMag. Dr. Gregor Lässer, Stand 30.6.2022